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Sozialpolitik in der BRD

Sozialpolitik in der DDR

Zur Chronik Sozialpolitik

 

Staatliche Sozialpolitik beginnt in Deutschland im Gefolge eines erfolglosen Sozialistengesetzes nicht paternalistisch. Die damals kämpferische Sozialdemokratie hatte es im aufkommenden Kapitalismus abgetrotzt. Kaiser Wilhelm I: „Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Ueberzeugung aussprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde.“ So Bismarck am 17.11.1981 in Vertretung des Allerhöchsten. Bismarck differenziert zwischen Arbeiter- und Armenpolitik.

Der von Deutschland ausgehende erste Weltkrieg wird verloren, soziales Elend und im Gefolge die Novemberrevolution setzen Forderungen auf die Tagesordnung. Durch den Druck des Proletariats und regierungsseitig, mit dem Ziel der Integration, bereitet sich eine historische Weichenstellung vor: Bürgerliche Demokratie oder soziale Demokratie. Ein Stück von beidem entsteht mit der Weimarer Republik, einem kapitalistischen Staat, in dessen Verfassung neben den bürgerlichen Menschen- und Freiheitsrechten nun auch soziale Rechte in Verfassungsrang erhoben werden: „Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen.“ Die Arbeitskraft wird unter Schutz gestellt, jedem Deutschen soll die Möglichkeit zur Sicherung seines Lebensunterhaltes durch Arbeit gegeben werden, ein einheitliches Arbeitsrecht soll für das Reich geschaffen werden und das Reich soll ein umfassendes Versicherungswesen „zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, zum Schutz der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens“ schaffen, „unter maßgebender Mitwirkung der Versicherten.“ Am Ende des in Weimar ansatzweise begonnen Wohlfahrtsstaat, werden mit Reichskanzler Heinrich Brüning (er setzt auf Austerität und „heilende“ Kräfte des Marktes) wichtige sozialpolitische Strukturen gekürzt („reformiert“), mithin der demokratische Aufbruch der Republik unterlaufen. Die SPD ist aus der Regierung abgewählt, ein Resultat opportunistischer Politik und sie trägt in der Opposition weiter Gesetzesvorhaben mit, die spürbare Verschlechterungen für ihre Wähler beinhalten. Brünings Nachfolger Franz von Papen sieht mit dem Sozialstaat Gefahr für Arbeitsmoral und staatliche Ordnung. Regiert wird dann schon zunehmend ohne Parlament über Notverordnungen.

Sozialpolitik war und ist im Kapitalismus im Wesentlichen eine Frage des Kräfteverhältnisses zwischen Unternehmern, Kapitalverbänden sowie deren nahestehenden Politikern und der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung.

In allen vier Besatzungszonen wird nach dem Ende des II. Weltkrieges mit Verfassungen und Gesetzen das Weimarer System erneut zur Grundlage genommen. Das faschistische Regime hatte geschickt ebenfalls an sozialpolitischen Institutionen und Planungen der Weimarer Zeit angeknüpft. Jedoch ermöglichte die Demagogie der „Volksgemeinschaft“ einen Paradigmenwechsel. Der Einzelne erfährt dabei soziale Sicherung nur als funktionales Mitglied dieser Gemeinschaft, d.h. des „Volkskörpers“, bei Reinhaltung der „arischen Rasse“. Das eigentliche Ziel, die Entmachtung der Arbeiterklasse und Zerschlagung ihrer Organisationen wird erreicht, soziale Leistungen instrumentalisiert, womit Rente z.B. ihre Wert-Neutralität verlor: „Nach § 75 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts vom 30.06.1933 (Reichsgesetzblatt I, Seite 433) ruht das Recht auf Bezüge nach dem Reichsversorgungsgesetz, wenn der Berechtigte nach Feststellung der obersten Reichbehörde sich im marxistischen Sinne betätigt.“

Nach dem auch das deutsche Volk vom Faschismus befreit wurde, erfährt in den Westzonen, hernach in der BRD, der Bismarck’sche Sozialstaat mit seiner Trennung von Arbeiter- und Armenpolitik eine Renaissance. Weimarer Anknüpfungspunkte sind die sozialen Systeme, z.T.in bereits beeinträchtigter Form der damaligen Notverordnungen. Verfassungsrang erhalten soziale Grundrechte in der BRD jedoch nie. In der Ostzone, später der DDR, orientiert die Revitalisierung der Ideen des Weimarer Sozialstaates auf deren Überwindung durch den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft. Mit der Veränderung der Machtverhältnisse zu Gunsten eines Volkseigentums im Staatsbesitz ging man hier ursprünglich davon aus, dass sich mit dem Aufbau des Sozialismus die soziale Frage erledige. Das war insoweit ein Trugschluss, als die innere Dialektik zwischen der ökonomischen Stärke des Staates und seinen sozialpolitischen Möglichkeiten ein ständiges Austarieren, ehrliche Kommunikation und Beratung des Möglichen zur Folge hätte haben müssen. Noch wichtiger ist die Erkenntnis, dass eine umsorgende Sozialpolitik wohl Lebensfreude und Heimatgefühl zu verstärken geeignet ist, nicht aber die Arbeitsproduktivität signifikant zu steigern vermag.

Die sozialpolitischen Leistungen in der DDR, davon zeugt die sozialpolitische Chronik, waren beispielhaft und international anerkannt. In der historisch kurzen Geschichte des Anlaufs zu einer sozialistischen Gesellschaft und seines Scheiterns wurde jedoch auch deutlich: Die alte Eva und der alte Adam schätzten was im Portemonnaie vorhanden ist, als die sogenannten zweite Lohntüte schon längst zur Selbstverständlichkeit geworden war. Und sie verglichen mit ihren Verwandten in der BRD Warenvielfalt und Reiseziele. Die Intershop- und Genex-Angebote der späten DDR kamen erschwerend hinzu. Das Sozialsystem der BRD stand bei den Betrachtungen eher nicht im Fokus, dessen Probleme kannte man aus dem Fernsehen.

Sozialpolitik war darüber hinaus, auch davon zeugt die Chronik, ein deutsch-deutscher, ein Wettbewerb zwischen den Gesellschaftssystemen. In der Regel hatte die DDR die Nase vorn. Zu bedenken bleibt auch, in der DDR war man auf dem Wege die traditionellen Forderungen der Arbeiterbewegung zu verwirklichen, weniger staatsdankbare Menschen. Mehr Frauen im Arbeitsprozess knüpfte an August Bebel, weniger am Arbeitskräftemangel an. „Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke.“ Und wo, wenn nicht im Arbeitsprozess kann das vor allem geschehen? Allerdings wurde aus dem Auge verloren, dass Ideale sich mit Gesellschaftsentwicklung wandeln, Zielgruppen sozialer Politik sich ändern und historische Gewordenheiten sich nur über Generationen abschleifen und das in sich selbst ändernden Gesellschaften.

Bezogen auf die DDR nicht zu vergessen sind die kontinuierlichen Versuche der BRD, den sozialistischen Anlauf zu erschweren, zu behindern, möglichst zu beenden, bis dann irgendwann der Gedanke friedlicher Koexistenz Raum griff. Aber da war der Systemwettbewerb mit dem Kapitalismus bereits ökonomisch verloren, wie man heute weiß.

Die BRD hatte aus der Weimarer Verfassung die bürgerlichen Freiheitsrechte in ihr Grundgesetz übernommen, nicht aber wie die Verfassungen der DDR, soziale Grundrechte in Verfassungsrang erhoben. Das Grundgesetz postuliert Sozialstaatlichkeit und überlässt seine Ausgestaltung den jeweiligen Koalitionen des Bundestags nebst Lobbyisten, dem Gesetzgeber. In der DDR waren verbürgte sozialstaatliche Artikel der Verfassung immer die Weisung zu entsprechenden Gesetzeswerken und darauf gegründetem Handeln in den Instanzen der Gesellschaft. In der BRD brauchte es regelmäßig und machtvoll den Druck der Betroffenen. Auch darauf weist die Chronik hin.

MichelKreisr 150Was wäre wenn…

  • die DDR nicht die Hauptlast der deutschen Reparationen zu tragen gehabt hätte,

  • ein neues ökonomisches System hätte entwickeln dürfen,

  • ohne Jahrzehnte der Embargos, Arbeitskräfteabwerbungen und Alleinvertretungsanspruchsärger sich zu entwickeln vermocht hätte,

  • nicht zentraler Demokratismus mit führender Rolle sondern wenn man in der DDR rechtzeitig

  • soziale Grundrechte zu verbinden gewusst hätte mit den Freiheitsrechten seiner Menschen

Die Geschichte verlief anders. Die zwei deutschen Michel, in den Besatzungszonen noch vereint und schon getrennt, nehmen ihren jeweiligen Weg. Der Anschluss misslang gründlich. Die DDR ging ohne ihre Verfassung in die „Einheit“.

Anhaltende Delegitimierungs-Kampagnen des DDR Rechtssystems, seiner Wirtschaft, seiner Sozialpolitik sind erforderlich, um soziale Errungenschaften umzudeuten und vor allem um den neoliberalen Abbau des bundesdeutschen Sozialstaates zu bekräftigen, einem Abbau, dem mit der Zerschlagung des Sozialstaates DDR zum Durchbruch verholfen werden konnte. Bis auf weiteres.