R. Zilkenat, 21.09.2018
„Die Bundesrepublik war der wohl größte Erfolg der amerikanischen Außenpolitik“
(Joschka Fischer, in: Der Spiegel, Nr.21, 19.5.2018, S.90)
„Die Spaltung Deutschlands ging vom Westen aus, sie blieb zentrales Thema des Kalten Krieges.“
(Prof. Dr. Wolfgang Benz, in: Der Tagesspiegel, 18.6.2018, S.17)
Die Lesarten zur Gründung der BRD und zu ihrer „Frühgeschichte“ in den 1950er Jahren haben sich innerhalb der Geschichtswissenschaft, weniger in der historischen Publizistik, zu differenzieren begonnen. Historiker wie zum Beispiel Wolfgang Benz, Josef Foschepoth, Manfred Gailus, Ulrich Herbert, Eckart Kleßmann und Wilfried Loth haben zur Vorgeschichte der BRD und zu ihrer innenpolitischen Entwicklung im ersten Jahrzehnt ihrer Existenz Aufsehen erregende Studien vorgelegt (u. a. US-amerikanische Globalstrategie im Kalten Krieg als entscheidende Geburtshelferin der BRD; gesetzwidriges Handeln im Zusammenhang des KPD-Verbotes von 1956; das Wirken von Nazi-Seilschaften in Wirtschaft, Politik, Diplomatie, Geheimdiensten, Universitäten, Polizei und Bundeswehr, protestantischer Kirche, Justiz, Verwaltung und Medien). Dabei haben die Veröffentlichungen über den Einfluss ehemaliger Kader der NSDAP, der SS und der Gestapo sowie anderer Organisationen des faschistischen Deutschland, die zum Teil auch in der Öffentlichkeit für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt haben, neue Erkenntnisse geliefert. Dies betraf nicht zuletzt die Kontaminierung des Auswärtigen Amtes durch Diplomaten der „Ribbentropschen Schule“ und die „braunen Wurzeln“ des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes, aber auch die führende Rolle beim Aufbau des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesarbeitsministeriums durch ehemalige Würdenträger des deutschen Faschismus.
Leider werden die wertvollen Ergebnisse dieser Forschungen in den Medien häufig beschwiegen oder ausschließlich innerhalb der „Qualitätspresse“ ein- oder zweimal referiert, erreichen aber eine breite Öffentlichkeit nicht. Für das an den Schulen vermittelte Geschichtsbild sind sie ohne Bedeutung. Die historischen Themen gewidmeten Sendungen im Fernsehen haben zwar mehrfach zum Beispiel über die Nazi-Kohorte im Auswärtigen Amt der Ära Adenauer berichtet – aber meist zu später Stunde. Zumeist entstellende Beiträge – Dokumentationen wie Fernsehfilme – zum Wirken des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, zum „Volksaufstand“ am 17. Juni 1953 oder zum „Mauerbau“ im August 1961 finden sich dagegen in fast jeder Woche im Fernsehen, auch unabhängig von „runden Jahrestagen“.
Auf deutschland1949.de wird zum einen die Vorgeschichte der Gründung der BRD, eingebettet in die Geschichte des Kalten Krieges thematisiert. Kurz gesagt: Die Gründung des westdeutschen Separatstaates war funktional Bestandteil der US-amerikanischen Globalstrategie und des von den Vereinigten Staaten provozierten Kalten Krieges. Der Kampf gegen die UdSSR und ihre Verbündeten, die Orientierung auf containment (Eindämmung) und/oder roll back (Zurückrollen) des Kommunismus erforderte zwingend aus politischen, ökonomischen und auch militärischen Gründen, die Westzonen zu einem kapitalistischen Staat mit wirtschaftlicher Prosperität, politischer Stabilität und einer starken Armee umzuformen.
Die Debatten zur Aufrüstung der Westzonen begannen bereits durch westalliierte Politiker, Militärs, Parlamentarier und führende Publizisten ab 1947/48, nachlesbar in der zeitgenössischen Presse, wie zum Beispiel in der „Welt“ und im „Tagesspiegel“. Auch westdeutsche Politiker, darunter das Vorstandsmitglied der SPD Prof. Carlo Schmid, waren daran beteiligt. Diese Debatten fanden übrigens schon statt, bevor der Kalte Krieg im Jahr 1948 eskalierte („kommunistischer Umsturz“ in der Tschechoslowakei Februar 1948, „Berliner Blockade“ 1948/49). Der erste US-amerikanische Plan eines Atomkrieges gegen die Sowjetunion datierte bereits vom November 1945, die atomaren Hochrüstungspläne sowie das weltweit an den Grenzen der UdSSR angelegte System militärischer Stützpunkte, besonders für die U.S. Air Force, waren in Gang gesetzt worden, bevor der Kalte Krieg im Verlaufe des Jahres 1947 die dominierende Tendenz in den internationalen Beziehungen wurde.
Die Wurzeln der Teilung Deutschlands sind tatsächlich, so wie es die oben zitierte Formulierung von Wolfgang Benz ausdrückt, im Westen zu verorten, und nicht in der Sowjetunion. Eine Teilung Deutschlands lag zu keiner Zeit im Interesse der UdSSR, die nach den gewaltigen Zerstörungen des Landes durch die faschistischen Aggressoren an internationalen Spannungen und an einem neuen Krieg keinerlei Interesse haben konnte, zumal die USA bis zum Sommer über das Kernwaffenmonopol verfügten. Sie war strukturell kriegsunfähig und auch deshalb an einem Fortbestand der Antihitlerkoalition wie an der perspektivischen Existenz eines einheitlichen, entmilitarisierten und für die UdSSR nicht feindseligen Deutschlands interessiert.
Zum anderen beleuchtet deutschland1949.de die unterschiedliche Herangehensweisen in den beiden neu entstandenen deutschen Staaten in sozialpolitischen Fragen.
Welche Auseinandersetzungen existierten in den Westzonen und in der jungen BRD zu sozialpolitischen Fragen? Welche Erfolge konnten die Arbeitenden und ihre Gewerkschaften Ende der 1940er Jahre und in den 1950er Jahren in der durch Streikaktionen erzielen (z. B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall). Wie und aus welchen weltanschaulichen und politischen Quellen entstand das Konzept der „Sozialen Marktwirtschaft“? Welche sozialpolitische Konzeption lag der DDR-Gesellschaft zu Grunde? Welche Rolle spielte die Sozialpolitik bei der Systemkonkurrenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus auf deutschem Boden?